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acvProfil 9-2014 - Wand oder Planke

„Hoffentlich ist es Beton“, texteten die Werber der Bauindustrie in den 90er- Jahren und illustrierten ihre Kampagne mit Motiven von zwei Dreizentnermän- nern auf einer dünnen Parkbank oder einer Elefantenkolonne, die auf einer fragilen Brücke eine tiefe Schlucht überquert. Der fromme Wunsch von damals wurde mit der Zeit zum geflü- gelten Wort, doch jetzt steht der harte Baustoff in der Kritik – zumindest auf Autobahnen, wo neuerdings immer mehr Betonschutzwände anstelle von Leitplanken verbaut werden und damit auch das Interesse der öffentlich-recht- lichen Fernsehsender weckte. Gleich mehrere reißerisch aufgemachte TV- Beiträge widmeten sich in den letzten Monaten dem Thema und kamen uni- sono zu der Kernaussage: Stahlplanken gut, Betonwände gefährlich. BEIDE SYSTEME HABEN VOR- UND NACHTEILE Doch so simpel ist die Sache nicht, denn beide Systeme sind nach den „Richtlinien für passiven Schutz an Straßen“ (RPS 2009) zugelassen und beinhalten spezifische Vor- und Nach- teile. Petra Bierl von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bringt es auf den Punkt: „Tendenziell liegt die Stärke von Betonschutzwänden eher im Be- reich hoher Durchbruchsicherheit bei niedrigem Platzbedarf, allerdings um den Preis einer erhöhten Anprallheftig- keit. Die Stärke von herkömmlichen Stahlsystemen liegt eher darin, Fahr- zeuge weicher abzufangen oder umzu- lenken. Dafür benötigen sie jedoch mehr Platz und bieten eine geringere Durchbruchsicherheit.“ Neuere Stahl- systeme böten zwar ebenfalls eine ho- he Durchbruchsicherheit, die aber, so Bierl, „meist auch mit einem Anstieg der Anprallheftigkeit verbunden ist.“ HEFTIGES GERANGEL HINTER DEN KULISSEN Doch das ist nur die eine Seite der Me- daille. Hinter den Kulissen rangeln die Beton- und Stahl-Lobbys um die Deu- tungshoheit in Sachen passiver Rück- haltesysteme. So preist die Gütege- meinschaft Stahlschutzplanken auf ei- ner eigenen Website (www.nachge- ben.com) die Elastizität und Wirt- schaftlichkeit der Stahlplanke und be- klagt zudem eine einseitige Ausschrei- bungspraxis bei Neubauvorhaben. Ge- schäftsführer Volker Goergen: „Oft wird von vornherein Beton gefordert, obwohl unser Produkt genauso gut ist und we- niger kostet.“ Die Wettbewerber aus dem Betonlager verweisen unter dem Motto „Beton kann Leben retten“ vor allem auf die höhere Durchbruchsicher- heit und die geringere Reparaturanfäl- ligkeit der Betonwände. Karsten Rend- chen, Geschäftsführer der Gütegemein- schaft Betonschutzwände: „Bei Stahl- planken wird schon nach einem leich- ten Aufprall eine Reparatur fällig, am Beton bleiben da nur ein paar schwarze Streifen.“ BETON: IM SÜDEN MEHR, IM NORDEN WENIGER Unterschiedliche Auffassungen zum Thema Wand oder Planke gibt es auch bei den Auftraggebern. Während in Bundesländern wie Bayern und Baden- Württemberg laut Regierungserlass „auf stark frequentierten Fernstraßen im Mittelstreifen grundsätzlich Beton- schutzwände vorzusehen sind“, sieht man das im Norden der Republik eher ergebnisoffen. Karsten Többen von der niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau will von einer Tendenz zum Beton jedenfalls nichts wissen: „So pauschal kann man das nicht sagen. Bei uns werden beide Systeme ange- wandt, das hängt von den örtlichen An- forderungen ab.“ Entspannt gibt sich auch sein schleswig-holsteinischer Kol- lege Christoph Köster: „Wir schreiben das produktneutral aus und dann wird es wirtschaftlich geprüft. Einen beson- deren Grund für das ein oder andere System sehen wir nicht.“ acv Profil 9/14 3 Ihre Meinung ist gefragt Wie denken Sie über den Leitplan- kenstreit? Teilen Sie uns Ihre per- sönliche Meinung mit, damit der ACV sich für Ihre Interessen einset- zen kann. Schreiben Sie an den ACV Automobil-Club Verkehr „Leserforum Leitplanken“ Theodor-Heuss-Ring 19–21, 50668 Köln Oder per Fax: 0221 91 26 91 26 Oder per E-Mail: acv@acv.de Stichwort „Leitplanken“ 1Hart, aber durchbruchsicher: Betonschutzwände an der A1 in Nordrhein-Westfalen Wand oder Planke? Das ist hier die Frage. An immer mehr Autobahnen werden Be- tonschutzwände anstelle von Stahlschutzplanken installiert – zu Lasten der Sicherheit? 1Elastisch, aber reparaturanfällig: Stahl- schutzplanke an der A1 in Schleswig-Holstein

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